Egbert Steiner - Sammler

Vom Foto zur Skulptur oder doch nicht?

Was ist die Gemeinsamkeit zwischen Gisela Stieglers „Würfelbildern“ von 2004/05 und ihren raumgreifenden Skulpturen von heute? Ist es die Entwicklung von der Fläche zum Raum, vom Blatt zum Körper? Oder täuscht das Material etwas vor, das in der Arbeit gar nicht enthalten ist?

Was eint oder trennt die Würfelbilder, die Graphitarbeiten auf schwarzer Leinwand und die geschnitzten und glänzenden - meist schwarzen oder weißen – Styroporreliefs und Styroporskulpturen?

Stiegler verlässt das Fotopapier, auf dem komplex inszenierte Stillleben mit gemalten geometrischen Täuschungen abgebildet sind. Ihr Weg geht über die aus Verputz gekratzten „Negativ-Reliefs“ zu geschnitzten und glänzend lackierten Styroporreliefs und macht dabei den Schritt vom Abbild zum Bild. Die zunächst einseitig bearbeiteten Reliefs auf zusammengeklebten Styroporblöcken entsprechen der Flächenhaftigkeit des Fotopapiers. Im nächsten Schritt löst sie sich von der ebenen Fläche und schnitzt Styroporskulpturen, die zugleich Träger der um diese räumlichen Objekte gewundenen Ebenen sind.

„Licht ist was man sieht“, ist der Titel eines Ausstellungskatalogs von Brigitte Kowanz aus dem Jahr 1997, und Man Ray schreibt 1928: „Man muss dem Licht bei der Arbeit zuschauen. Es ist das Licht, das erschafft. Ich sitze vor einem Blatt lichtempfindlichen Papier und denke.“ Diese Zitate beschreiben eine Idee, die auch in Gisela Stieglers Werk zum Ausdruck kommt. Ihre Arbeiten sind aber keineswegs einheitlich, sie experimentiert, sie lotet die Grenzen ihrer Absichten mit Farbe, mit Trägermaterial und mit Auf- und Durchlicht aus. Charakteristisch für ihre Arbeit ist jedoch ihr minimalistisches Repertoire, das sie gekonnt variiert: schwarzweiß glänzende Oberflächen auf einem zwei- und dreidimensionalen Trägermaterial.

Glanz entsteht dann, wenn sowohl die Beleuchtung gebündelt ist, als auch die Oberfläche spiegelnd reflektiert. Dadurch erscheint jeder Punkt der Oberfläche aus unterschiedlichen Betrachtungswinkeln verschieden hell und die Lichtreflexe verändern sich mit der Bewegung des Betrachters.

Hier zeigt sich die Verbindung von Stieglers Fotografien, den Wandauskratzungen, den Styroporreliefs und den Styroporskulpturen. Doch erst mit der Skulptur nutzt sie die Beweglichkeit des Publikums, um die aufgewickelten, geschnitzten Flächen zur maximalen Variation der Darstellung der Reflexion und damit des Lichts zu bringen.

Das Schnitzen und Lackieren erzeugt die gegliederte Oberfläche, die das Licht reflektiert. Stiegler geht es dabei nicht, wie es im ersten Moment erscheinen mag, um die Schwere oder Leichtigkeit des Materials, sondern um die Möglichkeit, Licht zur Darstellung zu bringen - die Volumina sind Täuschung. Wichtig ist die aufgespulte, gravierte und reflektierende Oberfläche.

Auch bei den gleichzeitig mit den Styroporskulpturen entstandenen Graphitarbeiten ist die Bewegung der BetrachterInnen Teil des Bildes. Erst mit der Standortänderung durch Bewegung wird die Variabilität des reflektierten Lichtes sichtbar.